Im Juli 2023 hat die EU-Kommission nach einem langen Beratungsprozess einen Vorschlag für eine Reform der Gentechnik-Gesetze verabschiedet. Der Hauptfokus dieser Reform liegt auf der Vereinfachung der Zulassung von Pflanzen, die mit modernen Verfahren wie CRISPR/Cas gezüchtet wurden. Damit soll ein dringend benötigter Paradigmenwechsel von veralteten und überholten Gesetzen im Bereich der Gentechnik vollzogen werden. Die neue Verordnung wird jedoch erst wirksam, wenn sowohl das EU-Parlament als auch eine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten ihre Zustimmung geben. Die Beratungen zu diesem Thema laufen derzeit auf Hochtouren.
Lockerung der Zulassungsverfahren für editierte Pflanzen beschlossen
Die Reform der Gentechnik-Gesetze bringt eine bedeutende Änderung für editierte Pflanzen mit sich. Zukünftig werden die Auflagen für diese Pflanzen gelockert, was langwierige und aufwändige Zulassungsverfahren überflüssig macht. Eine allgemeine Kennzeichnungspflicht entfällt ebenfalls. Freilandversuche, die nach der Entwicklung im Labor und Gewächshaus essentiell sind, werden vereinfacht. Darüber hinaus ist es einzelnen EU-Mitgliedstaaten nicht gestattet, den Anbau von editierten Pflanzen oder Freilandversuche zu verbieten.
Mit den neuen Regelungen werden die Auflagen für NGT-Pflanzen der Kategorie 1 deutlich gelockert. Diese Pflanzen wurden mithilfe von Techniken wie CRISPR/Cas oder TALEN gezielt mutiert und enthalten ausschließlich genetisches Material, das bereits im Genpool der jeweiligen Art vorkommt. Dies umfasst auch cisgene Pflanzen. Ein Beispiel dafür sind die Kartoffeln aus Wageningen, bei denen Resistenz-Gene aus Wildkartoffeln eingeführt wurden, um den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln um 80 Prozent zu reduzieren.
Um die Kriterien für den NGT1-Status zu erfüllen, müssen editierte Pflanzen bestimmte Vorgaben erfüllen, die in einem Annex zu den bestehenden Gentechnik-Gesetzen festgelegt sind. Ein wichtiger Aspekt ist, dass höchstens 20 Basenpaare im Vergleich zur Ausgangspflanze modifiziert werden dürfen. Interessanterweise können NGT1-Pflanzen sowohl durch herkömmliche Züchtung als auch durch zufällige Mutationen unter natürlichen Bedingungen entstehen. Diese Vielseitigkeit ermöglicht es, neue Sorten zu entwickeln, die den Anforderungen der Landwirtschaft gerecht werden.
Die Reform der Gentechnik-Gesetze hat zur Folge, dass NGT1-Pflanzen von den meisten Auflagen für GVO befreit sind. Im Gegensatz zu herkömmlich gentechnisch veränderten Pflanzen müssen Freilandversuche mit NGT1-Pflanzen lediglich bei der nationalen Behörde angemeldet werden. Eine Veröffentlichung des Standorts ist nicht erforderlich. Stattdessen werden zusammenfassende Berichte von der Kommission erstellt, um die Ergebnisse der Versuche zu dokumentieren.
Bevor NGT1-Pflanzen als Saatgut für den Anbau oder als Lebens- und Futtermittel verkauft werden dürfen, müssen Antragsteller ein umfangreiches Überprüfungsverfahren bei der zuständigen nationalen Behörde durchlaufen. Dabei müssen sie durch Studien oder Pflanzenmaterial nachweisen, dass die Pflanze den spezifischen NGT1-Kriterien entspricht. Bei einer positiven Prüfung erfolgt anschließend eine EU-weite Zulassung als NGT1-Pflanze durch die EU-Kommission unter Einbeziehung aller Mitgliedstaaten.
Im Rahmen der neuen Verordnung werden sämtliche Überprüfungsuntersuchungen von editierten Pflanzen in einer öffentlich zugänglichen Datenbank festgehalten. Diese Datenbank enthält alle relevanten Informationen zur Bewertung und den Beschlüssen zum NGT1-Status der Pflanzen. Zusätzlich werden alle Pflanzen, die den NGT1-Kriterien entsprechen, in einem öffentlichen Register erfasst. Dies stellt sicher, dass Transparenz und Nachvollziehbarkeit gewährleistet sind. Weiterhin ist es einzelnen Mitgliedstaaten nicht gestattet, den Anbau und den Warenverkehr dieser Pflanzen einzuschränken oder zu verbieten.
Lebens- und Futtermittel, die aus NGT1-Pflanzen gewonnen werden, müssen nicht speziell gekennzeichnet werden. Jedoch ist vorgeschrieben, dass Saatgut und vermehrungsfähiges Material eindeutig als Kat.1 NGT gekennzeichnet werden müssen. Diese Kennzeichnung ermöglicht es Landwirten, eine fundierte Entscheidung darüber zu treffen, ob sie diese Pflanzen anbauen möchten oder nicht. Im Biolandbau bleibt der Anbau von NGT1-Pflanzen weiterhin untersagt.
Andere Pflanzen, die mit neuen genomischen Techniken gezüchtet wurden und nicht den NGT1-Kriterien entsprechen, unterliegen ähnlichen Vorschriften wie herkömmlich gentechnisch veränderte Pflanzen. Jedoch können für diese als NGT2 bezeichneten Pflanzen vereinfachte Zulassungsverfahren mit Sicherheitsbewertungen durchgeführt werden, sofern keine plausiblen Hinweise auf mögliche Risiken vorliegen. Die neuen Merkmale der NGT2-Pflanzen sollen den Nachhaltigkeitszielen des European Green Deal entsprechen, wie zum Beispiel eine bessere Trockentoleranz, Resistenzen gegen Pflanzenkrankheiten und Schädlinge oder höhere Erträge. Für herbizidtolerante Pflanzen wird es keine vereinfachte Zulassung geben.
Gemäß der neuen Verordnung müssen NGT2-Pflanzen und ihre Produkte weiterhin gekennzeichnet werden. Die Kennzeichnung erfolgt durch die Angabe des veränderten oder neu hinzugefügten Merkmals der Pflanze. Diese Kennzeichnungspflicht ermöglicht es den Verbrauchern, bewusste Entscheidungen über den Kauf und Verzehr von NGT2-Pflanzen und ihren Produkten zu treffen. Verbraucher erhalten somit die Möglichkeit, die genetischen Veränderungen in den Pflanzen nachzuvollziehen und ihre eigenen Präferenzen zu berücksichtigen.
Die neue Verordnung zur Regulierung von Pflanzen, die mithilfe neuer genomischer Techniken entwickelt wurden, befindet sich derzeit in einem umfangreichen Genehmigungsverfahren. Nach der Zustimmung der EU-Kommission wird die Verordnung noch vom EU-Parlament und dem Europäischen Rat geprüft und verabschiedet. Angesichts der zu erwartenden Diskussionen und Debatten wird es einige Zeit dauern, bis die Verordnung in Kraft tritt. Diese Reform ist ein wichtiger Schritt zur Modernisierung der Gentechnik-Regulierung in Europa.
Die Kritik von Bioverbänden und Anti-Gentechnik-Netzwerken an den „Deregulierungsplänen der EU-Kommission“ bezüglich NGT1-Pflanzen beruht nicht auf wissenschaftlichen Beweisen. Zahlreiche internationale wissenschaftliche Studien, die in Fachzeitschriften veröffentlicht wurden, zeigen, dass NGT-Pflanzen und ihre Produkte kein höheres Risiko für Mensch und Umwelt darstellen als Pflanzensorten, die auf natürliche oder konventionelle Weise gezüchtet wurden. Die Leopoldina, Nationale Akademie der Wissenschaften, und die Deutsche Forschungsgemeinschaft haben in einer gemeinsamen Stellungnahme betont, dass es keinen wissenschaftlich begründeten Anlass für Besorgnis gibt und dass das Vorsorgeprinzip nicht angewendet werden sollte.
Die neue Verordnung zur Reform der Gentechnik-Gesetze bringt zahlreiche Vorteile für die Landwirtschaft und den Umweltschutz. Durch eine schnellere und einfachere Zulassung von editierten Pflanzen wird die Entwicklung von resistenten Sorten und höheren Erträgen ermöglicht. Gleichzeitig werden bürokratische Hürden abgebaut und die Freiheit der EU-Mitgliedstaaten, den Anbau und den Warenverkehr von editierten Pflanzen zu regulieren, eingeschränkt. Diese Reform ebnet den Weg für eine effizientere und zeitgemäße Gentechnik-Regulierung in Europa.